· 

Rauchen - eine unvergessliche Beziehung

Sicher hast du schon einmal eine Beziehung beendet. Aber du kannst sie nicht endgültig vergessen, du kannst sie nicht aus deinem Gehirn löschen, niemand kann das. Kurz nach der Beendigung der Beziehung tauchten häufig, ja täglich Erinnerungen an die beendete Verbindung auf. Gegenstände, Gerüche, bestimmte Situationen weckten die Erinnerung.
Im Laufe der Zeit geschieht dies zwar immer seltener, doch in bestimmten Situationen sind sie wieder da, die Erinnerungen und Gefühle aus der Vergangenheit. Wie jetzt, während du diese Zeilen liest, denn ich gehe davon aus, dass du dich an irgendeine gelöste Beziehung aus deiner Vergangenheit erinnerst.


Ab dem Tag, an dem du deine letzte Zigarette geraucht hast, wirst du eine langjährige Beziehung beenden.

Aber auch diese wirst du nicht vergessen, nicht endgültig auflösen können. Anders als bei einer Trennung von einem Menschen, dem du ausweichen kannst, wird dir dies bei den Zigaretten nicht möglich sein. An jeder Ecke hängt ein Zigarettenautomat, an jeder Supermarktkasse kannst du dir Zigaretten kaufen und in jeder Tankstelle blickst du sofort auf ein riesiges Regal voll Zigarettenpackungen. Ständig wirst du an deine Sucht erinnert.  
 Du kannst nicht ausweichen. Auch die vielen Gelegenheiten, bei denen du geraucht hast, werden dich zunächst täglich daran erinnern. Die Tasse Kaffee, eine Pause, Langeweile, Fernsehen und zahlreiche weitere »Rauchsignale« werden in dir das Bedürfnis nach einer Zigarette hervorrufen. Es wird dir kaum helfen, wenn du versuchst, deinem Gehirn ein Denkverbot aufzuerlegen. Du kennst wahrscheinlich den Versuch, bei dem gesagt wird, man solle nicht an einen rosa Elefanten denken und man natürlich an einen rosa Elefanten denkt. So wirst auch du, wenn du nicht daran denken willst, rauchen zu wollen, prompt daran denken. Warum das so ist, liegt an deinem Raucherprogramm, welches immer wieder einmal aktiviert werden möchte.

Auch ich war Raucher und musste das Nichtmehrrauchen erst lernen.

 

Als ich den Fagerström-Test ausführte (findest du im Internet) erreichte ich neun Punkte, was für eine sehr starke Abhängigkeit spricht. Auch ohne den Test war mir das bereits bewusst, denn nach meinen zahllosen vergeblichen Versuchen, wäre es ein Selbstbetrug gewesen, wenn ich mich für gering abhängig gehalten hätte.
 Ich bewundere(?) die Autoren, die in ihren Ratgebern schreiben, wie leicht sie es mit ihrer eigenen Methode geschafft haben, Nichtraucher zu werden, und die Leser es natürlich auch schaffen werden. Fast schäme ich mich dafür, dass ich fünf Nichtraucherbücher gekauft und gelesen habe und es doch nicht hinbekam.

Als Lockerungsübung und Ansporn für dich, besser zu sein als ich, will ich dir von einem vergeblichen Versuch berichten.

 

Ein vergeblicher Versuch von mir:
Oktober 2014, Saasen, ein kleiner Ort in Hessen. Es ist regnerisch, kalt, 23.00 Uhr. Bevor ich ins Bett gehe, möchte ich noch eine Zigarette rauchen. Verdammt, die Packung ist leer. Rauche ich eben nicht, so meine Gedanken. Allerdings habe ich nicht mit meinem Gehilfen gerechnet, man sagt auch Unterbewusstsein oder innerer Schweinehund dazu. »Du kannst doch ohne die letzte Zigarette des Tages nicht ins Bett gehen. Wie willst du denn schlafen können, wenn du darauf verzichtest?« Recht hat er, ohne mein jahrelang gepflegtes »Betthupferl« werde ich tatsächlich nicht schlafen können.
Irgendwo im Hinterkopf taucht ein schwacher Gedanke auf, der mich daran erinnert, dass ich doch eigentlich mit dem Rauchen aufhören will. »Ja schon, nur heute noch nicht«, denke ich, ziehe mir den Anorak an und laufe in Regen und Kälte zum Zigarettenautomaten. Dort angekommen stelle ich fest, dass der Automat, trotz meiner verzweifelten Versuche, keinen Geldschein annehmen will. »Nimm es als Wink des Schicksals und höre doch einfach auf«, höre ich wieder die Stimme in mir. Keine schlechte Idee überlege ich und mache mich auf den Heimweg.
Doch Saasen hat einen Haltepunkt für Regionalzüge nach Gießen. Das weiß auch mein Schweinehund, der sofort aktiv wird. »Wenn du zum Fahrkartenautomaten läufst und dir eine Fahrkarte kaufst, bekommst du doch Münzen als Wechselgeld und kannst dir Zigaretten kaufen!«
»Ich bin doch nicht verrückt«, antworte ich. Doch recht hat er ja, dann kann ich wenigstens schlafen.
 Ich bin so verrückt und laufe zum kleinen Bahnhof, kaufe mir die günstigste Fahrkarte für 2,60 Euro und schmeiße sie gleich in den Papierkorb. Schnell noch das Wechselgeld entnehmen und zurück zum Zigarettenautomaten. Ein beruhigendes »Klack« signalisiert mir, dass die Zigarettenschachtel ins Ausgabefach gefallen ist. Endlich - routiniert öffne ich die Packung, entnehme mein »Betthupferl«, zünde es an, und rauche auf dem Heimweg mit tiefen Zügen meine gewohnte »Vor-demschlafengehenzigarette«.
 Allerdings hatte ich nicht mit der Macht der Gewohnheiten gerechnet. Zu Hause angekommen höre ich wieder die Stimme: »Das war nicht die Zigarette, die du vor dem Schlafen rauchst. Du sitzt dann gemütlich rauchend im Hof, machst deine Pläne für den kommenden Tag und erst dann kannst du schlafen.« Also setze ich mich in den Hof, suche Schutz unter dem Vordach vor dem Regen und rauche die gewohnte Zigarette. Jetzt werde ich sicher schlafen können.
 Mit dem schnellen Einschlafen wurde es dann doch nichts; denn nach dieser »Heldentat« wurde mir wieder einmal mit aller Deutlichkeit bewusst, wie unfrei und abhängig ich doch bin.
Anmerkung: Ich glaube die deutsche Sprache ist weltweit einzigartig, wenn es um die Bildung zusammengesetzter Wörter geht, die dann auch noch über die Aussagekraft einer kompletten Geschichte verfügen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0